
Elisabeth Raabe
Eine Arche ist eine Arche ist eine Arche
Verlegerinnenleben
240 Seiten / 121 Fotos
Gebunden / Fadengeheftet
mit Leseband
19 × 11,4 cm / € 22,– / sFr. 30.90
ISBN 978-3-9524433-1-6
Lieferbar
Verlegerinnenleben: Das ist die Geschichte einer großen Passion für die Literatur und das Büchermachen.
Es ist die Geschichte von Elisabeth Raabe und Regina Vitali und ihres Arche Verlags. Die Geschichte zweier Frauen, die sich in den 1980er Jahren aufmachen, den legendären Schweizer Verlag von Ezra Pound und Gertrude Stein, den Dadaisten und Expressionisten, Friedrich Glauser und anderen aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken und ihn in einem Vierteljahrhundert mit neuen Ideen, großem Mut und bewundernswerter Ausdauer zu einer der feinen, literarischen Adressen im deutschen Sprachraum zu machen.
Es ist die Geschichte zweier Verlegerinnen, die in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Umbrüche ihren Weg finden, Literatur zu verlegen, Bücher zu machen, ihren Autorinnen und Autoren eine Heimat zu sein.
Es sind Namen wie Margaret Forster, Maarten ’t Hart und Fabrizia Ramondino, Entdeckungen wie Peter Stamm, Viola Roggenkamp und Kathrin Aehnlich, Autoren wie Stéphane Hessel, Hermann Vinke, Michael Lüders und andere, die den Weg der beiden Bücherfrauen begleiten.
Verlegerinnenleben ist Leidenschaft für Literatur. Unterhaltsam erzählt. Voller Empathie.
»Grazie, was für ein schönes Buch! Wieviel Passion, Energie und Enttäuschung haben Sie beide in den Verlag gesteckt. Complimenti und Bewunderung für die Liebe zum guten Buch! Verlegersein ist der schönste Beruf der Welt.«
Inge Feltrinelli an Elisabeth Raabe, 14. 2. 2016
»Ein Denkmal der Liebe zu Büchern … Habe mich gleich festgelesen und dauernd Unbekanntes erfahren.«
Roger Willemsen an Elisabeth Raabe, 27. 12. 2015
Leseprobe
Auftakt
Zürich, 31. Dezember 1982, mittags 12 Uhr. Eine Anwaltskanzlei gegenüber vom Großmünster. Ein junger Mann tackerte unter Anleitung seines Chefs die Kopien eines Kaufvertrags zusammen. »Immer schräg oben links!« Seit Monaten hatte die 1944 gegründete »Verlags AG Die Arche« des vor zwei Jahren verstorbenen »Kleinverlegers« Peter Schifferli zum Verkauf gestanden. Große deutsche Verlage hatten sich wegen der umfangreichen Backlist von 1300 Titeln und deren Rechte um den Verlag beworben. Auch wir.
Wer aber waren wir? Regina Vitali, Architekturstudentin und Buchhändlerin, hatte 1970 zusammen mit ihrem Mann, dem Arzt Jürg Schatzmann, den Zürcher Kinderbuchladens gegründet. Die erste Buchhandlung im deutschen Sprachraum, die neben dem Bereich der Pädagogik und Sonderpädagogik ein Sortiment nur für Kinder und Jugendliche führte und besonders die neue Kinder- und Jugendliteratur pflegte. Seit einiger Zeit aber war sie in ihrem eingespielten Leben auf der Suche nach Neuem.
Ich war nach Stationen im Lektorat der Hamburger Verlage Rowohlt und Cecilie Dressler 1978 im Ravensburger Otto Maier Verlag gelandet, hatte inzwischen ein Büro in Zürich und fuhr einmal in der Woche über den Bodensee in die schwäbische Kleinstadt, um die neuen Bücher des von mir verantworteten Jugendbuchprogramms vorzustellen. Die Erinnerungen von Isaac Bashevis Singer, Eine Kindheit in Warschau zum Beispiel, Die letzten Kinder von Schewenborn, das berühmte Anti-Atombomben-Buch von Gudrun Pausewang, oder Als die erste Atombombe fiel mit Texten von Kindern aus Hiroshima, die den Abwurf überlebt hatten, herausgegeben von Hermann Vinke, Ostasien-Korrespondent der ARD und Autor von Das kurze Leben der Sophie Scholl, dem wichtigsten und erfolgreichsten Buchs in meinem Programm. Bücher, die Jugendliche über NS-Zeit und Widerstand und über die Gefahren einer atomwaffenstarrenden Gegenwart informieren sollten. Dass ein solches Programm Anfang der 1980er Jahre trotz der finanziellen Erfolge im Verlag zunehmend auf Ablehnung stieß, musste ich Mittwoch für Mittwoch auf der Lektoratskonferenz feststellen – eine unbefriedigende Situation. So stand auch ich wie schon manches Mal in meinem Leben an einem Wendepunkt: Bleiben oder fliehen?
Regina Vitali und ich hatten uns auf der Internationalen Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna kennengelernt. Noch beflügelten uns die Aufbruchsstimmung der 1970er Jahre, neue Lebens- und Arbeitsformen zu proben. Eine deutsche Buchhandlung in New York gründen? Ein Literaturcafé eröffnen? Oder selber Bücher verlegen? Selber über Programme entscheiden, selber Erfolg oder Misserfolg verantworten. Ein Kleinverlag also. Standort: Zürich. »Momente« sollte er heißen. Das Programm: engagierte Sachbücher zu politischen und biographischen Themen. Unser beider Erfahrungen würden sich ergänzen: Die Buchhändlerin würde zuständig sein für »die Zahl«, also für Vertrieb und Verkauf, Herstellung, Honorare und Finanzen, die Lektorin für »das Wort«, also für Programm, Rechte, Lektorat, Werbung und Presse – eine Teilung der Kompetenzen, die bis heute gilt.
Die Idee, einen Verlag zu kaufen, nicht zu gründen, dazu einen Verlag wie die Arche mit einem explizit literarischen Programm und einem legendären Ruf, trug dagegen von Anfang an den Reiz des Risikos in sich, den Reiz des Fremden, auch einen Hauch von Abenteuer, und verlangte sehr viel Mut. Was uns wirklich erwartete, ahnten wir damals nicht, wie das so ist bei Entscheidungen, die das eigene Leben umkrempeln und ihm eine andere Richtung geben. Dass wir den Umsatz, den wir optimistisch aus den Absatzzahlen der letzten Jahre hochgerechnet hatten, nicht erwarten konnten, dass investiert werden musste – diese Erkenntnis ließ nicht lange auf sich warten. In diesem Augenblick aber trugen uns Neugier, Optimismus und die Kraft der Vision, dass Verlage es sind, die mit ihren Büchern die Welt verändern.
Wir warfen unsere »Momente«-Idee über Bord, ich gab mein Angestelltendasein bei Otto Maier auf, erhielt einen großzügigen Bonus für meine Arbeit, und Regina Vitali schied aus Buchhandlung und Ehe. Sie nahm das Erbe ihrer Mutter, die am selben Tag im selben Jahr in derselben Stadt wie Peter Schifferli gestorben war, ich fügte später nach dem Tod meiner Mutter ein kleines Stückchen hinzu.
Die Literaturagentin Dr. Ruth Liepman hatte uns, den beiden No-Names, das Entrée bei den Söhnen des Verlegers verschafft, dem Sinologen Dr. Christoph Schifferli und Lorenz Schifferli, der im Puschlav alternative Landwirtschaft betrieb. Nach wenigen Verhandlungsrunden mit deren Anwalt Dr. Steinbrüchel unterschrieben wir an ebenjenem denkwürdigen Silvestermittag 1982 den Kaufvertrag: Aus der »Verlags AG Die Arche Peter Schifferli« wurde die »Arche Verlag AG, Raabe + Vitali«. Draußen läuteten die Glocken des Großmünsters.
Später gingen wir zu Fünft bei strahlend blauem Winterhimmel – Sonne auf dem Zürichsee, in der Ferne die verschneiten Berge, die typische Postkartenansicht – über die Rathausbrücke zum Essen in das Restaurant des Hotel Storchen, wo Nelly Sachs und Paul Celan einander im Mai 1960 zum ersten Mal begegnet waren und wo Celan dichtete: das / Münster stand drüben, es kam /mit einigem Gold übers Wasser.
Am 3. Januar 1983 bezogen wir unser Büro im ehemaligen Verlegerzimmer des Verlagshauses Rosenbühlstraße 43.
Aus: Raabe, Eine Arche ist eine Arche ist eine Arche. Verlegerinnenleben, S. 13-15